Zum Hauptinhalt springen

Leidenschaftlicher Rebell - Alexander Kluge wird 80 Jahre alt

Von Caroline Thaler | Quelle www.3sat.de - Kulturzeit | | Aktuelles

Alexander Kluge: Sein Name ist Programm: ob als Schriftsteller, Regisseur oder Fernsehpionier, Kluge widmet sich dem jeweiligen Metier klug und mit ganzer Leidenschaft. Seit mehr als 20 Jahren bereichert er das Fernsehen mit seinen Kulturmagazinen, tritt als chronistischer Erzähler und scharfsinniger Essayist in Erscheinung und gibt stets neue kulturelle Impulse. Rechtzeitig zu seinem 80. Geburtstag erscheint sein Buch: "Fünftes Buch. Neue Lebensläufe".

Adorno und Kluge

"Mein erstes Buch, das ich 1962 geschrieben habe, handelte von Lebensläufen, die durch das Jahr 1945 zerschnitten wurden: vorher - nachher", sagt Alexander Kluge. "Ich habe gemerkt, dass die Lebensläufe im Jahre 2012 vollkommen anders sind: positiv, aber auch zur Bitterkeit hin. Und vor allen Dingen ist nicht nur ein Menschenleben ein Lebenslauf, auch die Dinge haben Lebensläufe. Es ist mehr zu erzählen über Lebensläufe im 21. Jahundert als im 20. Jahrhundert. Das hat mich gefesselt." In seiner Prosa ist kein Wort zu viel. Die kurzen Geschichten sollen treffen, erhellen, aphoristisch zuspitzen.

"Wenn etwas wichtig ist, gibt es zwei Rücksichten", so der Autor: "Ich möchte, dass Sie es verstehen, aber ich möchte den Respekt vor der Sache ausdrücken, indem ich es kürze. Das hat schon Tacitus so gemacht: lakonisch, wie man so schön sagt, wenn es um etwas Wichtiges geht. Um etwas Wichtiges herumzuquasseln, das ist ein Grundfehler. Das hat mit Kunst nichts zu tun." Ende der 1950er Jahre lernt Alexander Kluge in Frankfurt am Main am Institut für Sozialforschung Theodor W. Adorno kennen - eine Freundschaft, die bis zu dessen Tod anhält und Kluge nachhaltig prägt. Adorno war es auch, der Kluge ein Volontariat bei Fritz Lang verschaffte - und das, obwohl er vom Film alles andere als begeistert war.

"Er fand das sehr überflüssig, dass ich Literatur machen will, denn nach Proust sagte er, ist alles geschrieben", erinnert sich Kluge an Adorno. "Ihn kann man nicht übertreffen. Deshalb sei das überflüssig, ich solle lieber ein anständiger Jurist bleiben. Und um mir Schlimmeres abzugewöhnen, hat er mich dorthin geschickt und sich gedacht, Film wird mir noch weniger gefallen." Das Gegenteil war der Fall. Zusammen mit Peter Schamoni und Edgar Reitz gilt Kluge als Wegbereiter des deutschen Autorenfilms, der dem Verdrängungskino der Nachkriegszeit den Kampf ansagte. Mit "Abschied von Gestern" zeigte Kluge 1966, wie neues Kino aussehen könnte. Und erhielt dafür den Silbernen Löwen in Venedig.

Anspruchsvolle Kulturmagazine

"Der Film 'Abschied von Gestern' war ein extrem passioniertes Bekenntnis zu Gestaltungsmethoden des Kinos, die andere noch gar nicht so reflektiert hatten", sagt der Kunstkritiker Claus Philipp. "'Deutschland im Herbst' macht einem das Herz leicht", so Kluge. "Denn ich weiß, dass Fassbinder etwas macht, was von mir überhaupt nicht zu beeinflussen ist. Und auch Schlöndorff macht etwas absolut anderes als ich - ästhetisch, inhaltlich, sonst wie." Als Kulturpessimisten Ende der 1980er Jahre den Untergang der Fernsehkultur durch das Privatfernsehen voraussagten, gründete Kluge seine eigene Produktionsfirma und produziert seitdem anspruchsvolle Kulturmagazine.

"Was würde ich im Ernstfall einschalten? Das ist das Leitmedium", sagt der Filmemacher. "So etwas, was dieses Vertrauen genießt, Wirklichkeit abzubilden und aktuell zu sein, das Vertrauen der Zuschauer, das ist mein Partner, das muss man ernst nehmen." Sein Partner ist auch Helge Schneider: Schauspieler, Improvisationstalent und seit kurzem Träger des Karl-Valentin-Preises. Für Kluges Kulturmagazine schlüpft er in ganz unterschiedliche Rollen: "Wir ergänzen uns sehr gut", sagt Schneider. "Hochphilosophisch ist das Gesamtwerk und trotzdem amüsant. Ich lache mich manchmal darüber kaputt: eine Ernsthaftigkeit, die sofort aber wieder aufgerissen wird durch eine plumpe Erinnerung oder so etwas. Das macht wirklich Spaß." "Wir könnten eigentlich jeden Tag zusammen arbeiten", findet Schneider. "Wir würden immer etwas Neues erfinden."

Alexander Kluge bleibt ein leidenschaftlicher Rebell und weitsichtiger Filmpolitiker, dessen Einfluss, Tatkraft und Inspiration ungebrochen sind. "Tatsache ist, dass er sich eigentlich mit der ihm eigenen Lakonie und Freude am Dialog möglichst viele Spielformen der Artikulation und des mediatisierten Auftretens bewahrt hat", sagt Claus Philipp. Sich selbst bezeichnet Kluge als Geschichtenerzähler - und man hört ihm gerne zu. Vielleicht liegt es an seiner weichen Stimme, vielleicht an seiner Freundlichkeit und an seiner kaum zu bändigenden Neugier, die ansteckend wirkt.


13.02.2012 / Caroline Thaler für Kulturzeit / tm