Reizvoller Pflichttermin mit dem großen Alexander Kluge

Von Renate Mumelter | Quelle TAGESZEITUNG AM Sonntag - Bozen, 13. Jänner 2008 Nr. 9 | | Presse

Diesmal fällt der Sonntagsfilm aus, weil er zwei Dienstagsfilmen Platz machen muss. Es wäre nämlich unverantwortlich, hier über die mittelmäßige Verfilmung eines Gabriel- Garcìa-Màrquez-Romans zu schreiben – nur weil die am Sonntag zu sehen ist – während einer der Väter des Jungen deutschen Films, Alexander Kluge, am Dienstag nach Bozen kommt. Wir sind alle Expertinnen im Verschlingen von Bildern, vom Lesen derselben haben wir wesentlich weniger Ahnung, desDhalb kann eine RefleReflexionspause unter sachkundiger Führung nicht schaden. Der Regisseur, Schriftsteller, Medienexperte Alexander Kluge ist der Denker unter den deutschen Filmemachern, der Initiator und Politiker, ein Intellektueller und Gestalter, der das Deutschland des 20. Jahrhunderts mitgeprägt hat. Am 28. Februar 1962 hat er gemeinsam mit Edgar Reitz, Peter Schamoni und anderen 23 Filmemachern bei den 8. Westdeutschen Kurzfilmtagen das Oberhausener Manifest herausgegeben. Das war die Geburtsstunde des Jungen deutschen Films, der das Kino in Deutschland revolutioniert hat. Damals hatten die Kulturrebellen Papas Kino für tot erklärt. Als intellektueller Allrounder hat der Rechtsanwalt Kluge in seinem Leben so gut wie alles hergestellt. Er drehte viele und beachtliche Filme, schrieb wichtige Bücher und versuchte als Fernsehproduzent, dem Privat-TV etwas Geist einzuimpfen. Heute noch bereitet es dem 1932 in Halberstadt Geborenen Vergnügen, seine Arbeiten zu begleiten und mit dem Publikum in einen lebhaften Dialog zu treten. 2007 war Kluge Ehrengast des Filmfestivals in Venedig, wo seine ungewöhnlichen neuen Filme gezeigt wurden. Zwei davon sind am 15. Jänner um 18 und um 20 Uhr auf Einladung des Museion im Filmclub zu sehen. Meister Kluge begleitet sie. „Das Phänomen der Oper“ und „Mein Jahrhundert, mein Tier!“ setzen sich aus vielen kleinen Kinogeschichten zusammen, so wie sich Kluges literarische Texte aus vielen Kurzgeschichten zusammensetzen. „Die Geschichten, die mich am meisten angehen, sind die kürzesten“, sagt er. Und zum Kino: „Die Information beim Film steckt in den Lücken zwischen den Bildern. Ihr Bewusstsein registriert nicht, dass Sie, wenn Sie zwei Stunden im Kino saßen, eine Stunde davon im Dunkeln waren. Ich glaube aber, dass der Körper, das Gehirn, das wahrgenommen hat. Dadurch geraten Sie in diesen eigentümlichen Schwebezustand, der das Kinogefühl ausmacht, den Zauber des Kinos. Im Fernsehen hat man das nie, weil das Fernsehbild ja aus Zeilen aufgebaut ist, es ist eine Schrift, da gibt es keine Pausen“. Kino bleibt anders – allen Heimkinotechnologien zum Trotz.

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