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«Er war ein Fremdling, ein Störer»

Von Stefan Reis | Quelle NZZ Online | | Interviews

Filmemacher Alexander Kluge über Rudolf Augstein Aus Anlass des Todes von Rudolf Augstein sprach NZZ Online mit dem deutschen Autor und Filmemacher Alexander Kluge. Das Gespräch führte Stefan Reis.

Wie haben Sie den Journalisten Augstein erlebt? Er hatte immer so eine bestimmte Neugierde. Nach dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus war das die Neugierde auf das Kommende, das, was nach dem Krieg am Entstehen war. Letztlich hatte er die Fähigkeit, sein ganzes Leben lang wie ein Sechsjähriger Fragen stellen zu können. Welche Eigenschaften zeichneten ihn noch aus? Augstein war immer jemand, der für die Herstellung von mehr Öffentlichkeit und Transparenz kämpfte, ja er war sogar besessen davon. Wie von der Geschichte. Aus der historischen Perspektive betrachtete er viele Themen. Bezeichnend für ihn war weiter die Achtung auch vor Personen, mit denen der «Spiegel» keineswegs einer Meinung war. Strauss war in der «Spiegel»-Affäre das beste Beispiel dafür. Welche Rolle spielte Augstein in der politischen Landschaft der Bundesrepublik? In der Vierten Gewalt, den Medien, hatte er eine ganz bestimmte Rolle. Er war ein Fremdling in einer uniformen Bundesrepublik. Jemand, der sich selbständig verhielt und keine Rücksicht nahm. Immer eine Art Störer. Was bedeutet er für Sie persönlich? Er hat uns allen ein halbes Jahrhundert begleitet. Er war für mich genauso wichtig 1962, im Zusammenhang mit der «Spiegel»-Affäre, wie 1988, als die Allianz zwischen «Spiegel»-Verlag und meiner Firma «dctp» geschmiedet wurde. Welchen Eindruck hatten Sie bei Ihrer ersten Begegnung mit Augstein? Es war eine zufälliges Treffen, 1962, während der Turbulenzen der «Spiegel»-Affäre. Ich spazierte am Strand von Sylt, brauchte Feuer für meine Zigarette. Am Strand sass jemand. Ich erkannte Augstein zunächst gar nicht, erst aus nächster Nähe. Da sass dieser bedeutende Mann vor mir. Und fror fast.