Fast 3.000 Sendungen ...

Seit 1988 produziert Alexander Kluge innerhalb der dctp unabhängige Kulturmagazine im deutschen Privatfernsehen (in 20 Jahren etwa 1500 Std. Sendezeit). Sein Ziel ist es, das Fernsehen offen zu halten für das, was außerhalb des Fernsehens stattfindet. Die grobe stoffliche Orientierung lautet: je ein Drittel der Sendungen befassen sich mit Büchern, mit Oper und Theater, sowie mit Film. Wichtiger als der Stoff ist der Ton. Der Nivellierung auf einen Durchschnitts-TV-Ton setzt Kluge die Vielfalt der Stimmen eines Autorenfernsehens entgegen. Es wird nicht im immergleichen Tonfall "über" Bücher, Oper, Film gesprochen, sondern die Autoren kommen selbst zu Wort, und zwar in ausführlichen Zweiergesprächen von 15, 25 oder 45 Minuten.

Neben diesem Gesprächsformat, innerhalb dessen einige legendäre Staffeln entstanden sind (etwa die Gespräche mit Heiner Müller zwischen 1990 und 1995, mit Einar Schleef oder H.M. Enzensberger), hat Kluge andere Formate entwickelt, die ausloten, was Fernsehen eigentlich kommunikativ leisten kann, wenn es nicht ängstliches Quoten-TV sein muss: Magazine ohne Worte, Stadtmagazine, Musikmagazine, die von Bildmontage und Musik leben, sowie das vielleicht bekannteste Format der Facts & Fakes. Was hier, meist mit dem früheren Fassbinder-Produzenten und Bestseller-Autor Peter Berling, aber auch mit Helge Schneider, an der Oberfläche wie Dada aussieht ("Brückengeher" als Beruf, Schneider als Sicherheitsexperte unter Wasser vor Heiligendamm, Interview mit einem Waffenhändler über den afrikanischen Markt, ein Gammelfleischhändler berichtet usw.), ist radikale Alternative zum Spartenfernsehen. Die Wirklichkeit ist nicht in Nachrichten (Facts) und Unterhaltung (Fakes) geteilt, auch wenn das Fernsehen (und auch der Film) seit einem halben Jahrhundert so verfährt. Fakten gibt es nicht ohne Fiktionen, Tatsachen nicht ohne Gefühle. Phantasien bringen Fakten hervor und Fakten setzen die Phantasieproduktion von sich weg oder gegen sich in Gang. Es kommt darauf an, die Reibungsfläche zwischen beiden zu vergrößern, die Kommunikation der Gegner aufrecht zu erhalten. Außerdem wäre ein Interview mit einem realen Gammelfleischhändler gewiß sehr interessant, es ist aber schwer durchführbar.(RS)