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Zum Tod von Peter Schamoni - "Filmen aus Liebe zur Kunst"

Von Wenke Husmann | Quelle ZEIT ONLINE | | Aktuelles

Gemeinsam haben sie den deutschen Film erneuert. Im Interview erinnert sich der Filmemacher und Schriftsteller Alexander Kluge an den verstorbenen Peter Schamoni.

ZEIT ONLINE: Herr Kluge, Sie haben den verstorbenen Regisseur Peter Schamoni lange gekannt. Was werden Sie nach seinem Tod am meisten vermissen?

Alexander Kluge: Ich vermisse einen Freund. Meinen allerersten Film habe ich mit ihm gemacht: 1960, Brutalität in Stein. Ich habe von ihm gelernt, denn er war schon Filmemacher, als ich es wurde.

ZEIT ONLINE: Worum ging es damals?

Kluge: Um das Parteitagsgelände in Nürnberg. Wir hatten große Probleme mit der Zensur- und der Filmbewertungsbehörde, in der auch ein ehemaliger Gauamtsleiter aus Danzig saß. Der fragte, wieso eigentlich die Architektur von Speer irgendwie barbarisch sei, wo doch die Ägypter ganz ähnliche Sachen gebaut hatten.

ZEIT ONLINE: Warum fand der Film dennoch sein Publikum?

Kluge: Schamoni und ich sind zu zweit nach Cannes gefahren und haben privat in der Rue d‘Antibes ein Kino gemietet. Es kam genau ein Zuschauer. Der war aber Filmkritiker von Le Monde und schrieb einen recht positiven Artikel. Dieses "Prädikat wertvoll" hat uns und unseren Film gerettet. Wir mussten ihn auf Geheiß der Filmbewertungsstelle dann nur umtaufen in Die Ewigkeit von gestern. Das hat ihn wohl ein bisschen neutralisiert.

ZEIT ONLINE: Gemeinsam mit Schamoni und anderen Filmschaffenden haben Sie 1962 das "Oberhausener Manifest" aufgesetzt. Sie wollten den deutschen Film verändern...

Kluge: In der Oberhausener Gruppe bildeten Schamoni und ich zwei Flügel. Er war – auch aufgrund seiner privaten Kontakte – etwas konservativer und neigte zum Spielfilm und zum Kunstfilm, ich stärker zum Autorenfilm.

ZEIT ONLINE: Was hat Sie beide damals am Zustand des deutschen Films gestört?

Kluge: Die Filmwirtschaft nach 1945 blieb im Grunde dieselbe wie vorher. Auch im Dritten Reich war sie ja privat organisiert gewesen und nur staatlich gelenkt. Jetzt machten sie statt Politik Unterhaltung – aber mit dem gleichen Geiste. Für uns unerträglich! Wir hingen an der Filmgeschichte der zwanziger Jahre, an dem, was vor '33 war. Schamoni hatte als Assistent bei Fritz Lang gearbeitet und durch seinen Vater, der schon Filmregisseur war, eine starke Affinität zum klassischen Film und eben nicht zur Ufa. Was die Filmproduzenten nach dem Krieg machten, nannten wir "Zutaten-Kino": Man nimmt ein Drehbuch und einen berühmten Schauspieler – zumindest in Deutschland berühmten – und Kostüme und bäckt alles zusammen. Im Grunde Kunstgewerbe.

ZEIT ONLINE: Was waren Ihre Maßstäbe für einen guten Film?

Kluge: Autorenfilm bedeutete für uns, dass man einen Film dreht, wie man ein Buch schreibt: aus einem Guss. So, wie es die Franzosen taten: Godard, Truffaut. Darin waren wir uns alle einig. Sowohl die Radikalen wie Vlado Kristl als auch die Vernünftigeren, Ausgewogeneren wie Peter Schamoni.

ZEIT ONLINE: Schamoni hat eine ganze Reihe gefeierter Künstler-Biografien gedreht. Er porträtiere Max Ernst, Hundertwasser und zuletzt Botero. Warum hatte er diesen besonderen Zugang zur Kunst?

Kluge: Aus Zuneigung und richtiger Liebe. Peter Schamoni hat an der Kunstakademie studiert. Sein Stachel und Antrieb war vor allem aber sein sehr radikaler jüngerer Bruder, Thomas Schamoni, der ebenfalls Kunst studiert und sich intensiv mit ihr auseinandergesetzt hatte.

ZEIT ONLINE: Welchen Film sollte man sich jetzt noch einmal anschauen, um sich Schamonis zu erinnern?

Kluge: Schwer zu sagen. Natürlich alle seine Filme über Max Ernst. Aber auch seine Spielfilme. Ach, man müsste sich sein gesamtes Werk anschauen! So gehen wir Autorenfilmer eben miteinander um: Wir sehen uns als Ganzes.

Das Gespräch führte Wenke Husmann.